Rund um den Hund!

Myasthenie beim Hund

So selten, wie diese Autoimmunerkrankung ist - Ghali ist leider an Myasthenia Gravis erkrankt.

Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Myasthenia_gravis

Die Antikörper werden vermehrt gebildet und gehen gegen die eigene Skelettmuskulatur, vorrangig quergestreifte Muskeln. Bei jedem Myastheniker äußert sich die Krankheit anders und kann sich verändern - es gibt keine einheitliche Symptomatik und daher keinen einheitlichen Behandlungsablauf. Myasthenia Gravis an sich ist nicht lebensverkürzend - leider aber die daraus resultierenden möglichen Krankheiten: z.B. Lungenentzündung.

Bei Ghali äußerte es sich erst mit leichtem Zittern in den Beinen, später mit erschwertem Laufen - die Hinterläufe waren schwach. Sie hat scheinbar Doppelbilder gesehen, konnte ihre Bälle nicht mehr gezielt fangen. Und innerhalb kürzester Zeit erschlaffte die Speiseröhre so sehr, dass man auf dem Röntgenbild keine schmale Speiseröhre, sondern einen durchhängenden Dudelsack sehen konnte: sie erbracht ihr Essen direkt - es gelang nicht mehr in den Magen. Ihre Stimme hat sich verändert: sie konnte nur noch in quietschigen Tönen bellen. Die Stimmbänder waren erschlafft. Später wurde das Schlucken schwer... Das Herz ist zum Glück nicht betroffen.

Nur wenige Ärzte sind darauf spezialisiert und haben erste Erfahrungen damit gemacht, was die Behandlung zusätzlich erschwert.

Wir wurden glücklicherweise nach Gießen in die Uniklinik verwiesen. Dort hatte man schon einige Fälle und tasteten uns an die für sie notwendige Therapie heran:

Sie durfte ab sofort nur noch aufrecht sitzen beim Fressen - und musste anfangs 20 Minuten in sitzender Position aushalten, damit das Essen in den Magen gelangt. Das gleiche beim Trinken!

Sie wurde auf Tabletten eingestellt - das war ein langwieriger Prozess. Auch Immunsuppressiva wurden eine Zeit lang gegeben und das sind sehr heftige Medikamente.

Um keine Bewegungseinschränkungen oder Fehlhaltungen zu riskieren sind wir zur Hundephysiotherapie gegangen - kann ich jedem empfehlen!

Wenn sie nicht schlucken oder kauen konnte, wurde das Futter mit ordentlich Tee oder Wasser, manchmal mit Knochenmark-Sud püriert und zur Stärkung stundenweise oder alle 2 Stunden mit einer Spritze verfüttert.

Keine Nacht konnten wir durchschlafen - sie hat sich oft wegen der Tabletten und zu viel Schleim in der Speiseröhre erbrochen.

Ich schreibe darüber, weil ich MUT machen will!
In der ersten Zeit habe ich im Social Media menschliche Myastheniker angeschrieben, deren Behandlungsablauf und Krankheitsverlauf erfahren. Für uns haben wir einen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen bzw. uns anzupassen.

Das bedeutete, anfangs aufrecht füttern und 20 Minuten warten - anfangs im Hunderucksack, später erleichterte ein selbstgebauter Holzstuhl die Fütterung und Wartezeit. Notfalls wurde das Futter püriert. Wir mussten wegen der aggressiven Tabletten Magenschutz und Darmflora-Aufbau betreiben. Hat ihr aber auch sehr gut getan. Hundephysio unterstützte enorm. Auch Rotlicht und Tageslicht-Geräte halfen sehr.

Heute ist unser Alltag sehr geregelt: alle 8 Stunden braucht sie lebensnotwendige Tabletten, um Rückfälle zu vermeiden - das bedeutet um 6h / 14h / 22h, also auch am Wochenende und im Urlaub stehen wir früh auf.
Über das Futter gebe ich dauerhaft Darmflora-Aufbaupulver, Rote Beete und manchmal Gemüse aus dem Tierhandel.

Fazit: nach einem sehr turbulenten und zehrenden Jahr sind wir ganz gut eingestellt, haben selten schlechte Tage - und sie kann soweit ein normales Hundeleben führen. Sie ist fast wie früher.

Leider wurde im Krankheitsverlauf ein Thymom festgestellt - das ist eine Wucherung der Thymusdrüse. Diese ist oft Verursacher der Myasthenie und kann in der Regel einfach entfernt werden. Da der Thymom sehr groß war konnte er auch nach 2 OPs nicht komplett entfernt werden und es wächst erneut ein Tumor heran.
Solange sie kann werden wir ihr den besten Hundealltag bieten...